Über den Kaffeegenuss

Portable Kaffeemühlen sind hervorragende Gesprächskatalysatoren. Nur wenige Monate nachdem ich meinen ersten “richtigen” Job in Wien angenommen hatte, sah ich mich gezwungen, zur Sicherstellung der geschmacklich zufriedenstellenden Kaffeeversorgung zuerst eine Aeropress und bald danach auch eine Porlex Mini Hand-Kaffeemühle anzuschaffen. Nachdem ich bereits mehrere Jahre zu Hause meinen Filterkaffee mit einer Chemex zubereitet hatte und sich der Zustand der Nespresso-Maschinen im Büro kontinuierlich verschlechterte, begann ich endlich freudig im September 2016 mit der Verwendung meines kürzlich angeschafften Equipments. Während sich meine Kolleginnen und Kollegen eine ranzige Brühe, die auch ohne frische Kapsel braun geworden wäre, mit Hilfe der ratternden Espresso Haushaltsmaschinen “herunterließen”, saß ich fröhlich auf der Couch der Kaffeeküche und mühte mich mit der Kurbel meiner Kaffeemühle ab. Sofort drehten sich alle Blicke zu mir um. Ich fühlte mich beobachtet. Meist folgten viele Fragen, was ich denn da machte und die Feststellung, dass die Eltern im letzten Jahrtausend auch einmal so Bohnen gemahlen hatten. Ich wurde also als altmodisch und etwas verrückt eingestuft. Als mich die Chefin einmal kritisierte, dass ich zu viel Zeit in der Küche verbrachte, kaufte ich mir einen Wasserkocher fürs Büro, hängte demonstrativ ein Poster mit der Aufschrift “das Leben ist zu kurz für schlechten Kaffee” auf und machte von da an mein wunderbares koffeinhaltiges Elixier in meinen eigenen vier Bürowänden. 

Im nächsten Büro gab es eine teure Espresso-Maschine und zu Tode geröstete italienische Kaffeebohnen zur freien Entnahme. Obwohl der Kaffee sogar trinkbar war, blieb ich jedoch bei meiner portablen Kaffeemühle und meinen light-roast Bohnen, entweder von meinem Lieblingskaffeehaus Jonas Reindl oder von einer unserer zahlreichen Reisen. Nachdem ich mein Büro mit bis zu fünf weiteren Personen teilte, einer unserer Chefs durch unser Büro zu seinem ging und sich auch oft andere Kolleginnen und Kollegen in unserem Raum befanden, erntete ich regelmäßig interessierte und verwunderte Blicke, wenn ich akribisch an der kleinen Kurbel meiner Mühle drehte. Einige Male wurde ich sogar gefragt, warum ich nicht einfach die elektrische Mühle in der Küche verwenden würde. Es sei schließlich bedeutend einfacher. Mit viel Enthusiasmus erklärte ich, dass ich gerade Bohnen aus der Sidamo Region in Äthiopien mahlte und dass sie sich in der Gemeinschaftsmühle mit den anderen Bohnen, die sich noch im Mahlwerk befanden, vermischen würden. Kaffee ist einfach nicht gleich Kaffee. Wenn sie wüssten, dass ich mittlerweile sogar meinen eigenen Kaffee röste. 

Meine Kaffeereise begann jedoch woanders. Als ich während des Studiums in meine erste eigene Wohnung zog, kaufte ich mir eine Nespresso-Maschine. Sie waren gerade populär, also wollte auch ich eine brandneue Lattissima mit Milchschäumer haben. Dass ich Milchprodukte noch nie richtig vertragen hatte, war mir in dieser Situation egal, denn ich wollte cool sein. Von nun an trank ich regelmäßig Cafe Lattes mit mehr Milch als Kaffee. Trotz der Laktoseintoleranz fand ich den Schaum viel besser als den Rest des Getränks. Als ich schließlich in Kanada mit meinem Mann zusammenzog, überredete ich den bis dato Anti-Kaffee-Trinker, eine Espresso-Maschine zu kaufen. Er stimmte nur zu, weil sie gerade im Sonderangebot des Sonderangebots war. Er würde sie sowieso nicht verwenden, erklärte er mir. Einige Zeit nach der Anschaffung des Ungetüms, als ich mich gerade im Ausland befand, bekam ich zu einer ungewöhnlichen Zeit eine aufgeregte Nachricht. Er konnte nicht einschlafen, weil er an einem Tag etwa 13 Espressos zu sich genommen hatte. Ihm war in meiner Abwesenheit fad gewesen und er hatte sich daher das Ziel gesetzt, sich einen Espresso zu machen, der ihm halbwegs schmeckte. Es brauchte eben etwas mehr als einen Versuch. 

Er entwickelte sich also von einem Menschen, der nie Kaffee trank, zu einer akribischen Espresso-Zubereitungs-Maschine auf der Suche nach der perfekten Extraktion. Ich trank weiterhin Cafe Lattes, die aber zugegebenermaßen immer besser schmeckten. Auf einer Reise nach San Francisco probierte ich schließlich im Sommer 2012 den ersten Espresso, der mir mundete. Ich weiß zwar leider den Namen des Cafés nicht mehr, aber es war ein personeller Ableger von Blue Bottle. Zum ersten Mal konnte ich Geschmacksnoten abseits von extremen Röstaromen erkennen. Trotzdem blieb ich noch einige Jahre meiner mit Milch verfälschten Brühe treu, denn schließlich schmeckte nicht jeder Espresso so gut wie jener in Kalifornien. Eine Arbeitskollegin aus Italien machte sich sogar regelmäßig über mich lustig, wenn ich am Nachmittag im UNO-Kaffehaus eine Cafe Latte bestellte. Während sie ein kleines Säckchen Zucker in ihrem Espresso versenkte, meinte sie immer erstaunt zu mir: “Ich dachte, wir gehen einen Kaffee trinken!” Doch die Rettung war nah. 

Eines wunderschönen Weihnachtsabends versteckte sich eine Chemex, sorgfältig in Geschenkpapier verpackt, unter dem Christbaum. Die Büchse der Pandora war geöffnet. Ein Dominostein fiel nach dem anderen. Filterkaffee hatte mich in nur kurzer Zeit in seinen Bann gezogen. In den darauffolgenden Jahren bereiteten wir nicht nur zu Hause und im Büro koffeinhaltige Gaumenfreuden zu, sondern auch beispielsweise auf einem Schiff auf dem Weg zum Kap Horn, im Haus unserer Freunde in Kanada, oder auf verschiedenen Ruderregatten in Europa. Wir verbrachten einige Nächte in einem Kaffee-inspirierten Hotel über einem berühmten Kaffeehaus in Sansibar, besuchten einige der angeblich besten Kaffeehäuser der Welt und träumen schon länger eine Kaffeetour in Äthiopien. Unsere neue Küche planten wir unter anderem rund um unsere Espresso-Maschine und einen Hängeschrank für unsere Kaffeetassen-Sammlung. So stressig ein Tag auch sein mag, der Geruch von Kaffee beruhigt mich. Ich bin wahnsinnig froh darüber, dass guter “Hipster”-Kaffee in mein Leben getreten ist. Er ist das, was mich während eines anstrengenden Tages am Leben hält und die gemütlichen Morgenstunden mit meinem Mann am Wochenende versüßt. Es geht nicht nur darum, genug Koffein zu uns zu nehmen, sondern jeden Schluck und jeden Hauch von Kaffeearoma zu genießen.


Comments

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Ich akzeptiere / verweigere, dass Tracking Daten gesammelt werden, solange ich mich auf dieser Seite befinde.