Als ich 2001 zu rudern begann, gab es nur wenige Schwimmerinnen, Schwimmer und Freizeitboote, die sich in bzw. auf die Alten Donau verirrten. Schließich hatte der Bau der Neuen Donau und der damit verbundenen Verringerung des Wasseraustausches die Wasserqualität so sehr verschlechtert, dass die Sichttiefe zeitweise nur etwa 30 Zentimeter betrug. Meistens konnten wir also zu jeder Tageszeit fast ungestört unsere Runden drehen und unsere größten Sorgen waren, dass der Trainer mit uns nicht zufrieden war oder dass wir unabsichtlich kenterten und somit ungewollt Opfer der gelb-braune Brühe wurden. Bevor wir Jahre später von den freizeitlüsternen Menschen quasi vertrieben wurden, forderten uns einige Sommer bis zum ersten Einsatz der Mähboote enorme Algenteppiche heraus. Einer davon, der zu unserer Belustigung sogar erfahrene Sportlerinnen und Sportler ins kühle Nass riss, befand sich direkt vor meinem damaligen Verein. Heute gibt es dort eine Schutzzone für Jungfische, wo nicht gemäht wird.
Mit der Verbesserung der Wasserqualität fanden über die Jahre hinweg immer mehr Menschen an das Wiener Gewässer, um sich zu erholen. Einzig und alleine für die Ruderinnen und Ruderer, die seit den 1850er Jahren zuerst Herren und dann auch Damen der Alten Donau gewesen waren, führte dies vor allem zu einer Erhöhung des Stresspegels. Nachdem es aus irgendeinem unerfindlichen Grund für Freizeitbooten nicht genauso wie für Ruderboote eine Fahrordnung gibt, herrscht oft Chaos auf dem Wasser, denn auch hundertmaliges Umdrehen hilft meist nicht gegen Zwischenfälle mit kreuz- und querfahrenden, meist unberechenbaren Elektrobooten. Während die Sportlerinnen und Sportler achtsam und voll konzentriert ihrer körperlichen Betätigung nachgehen, ist das zielsichere Steuern des Bootes bei Freizeitmenschen oft nur ein lästiger Nebengedanke. In meinen beinahe 20 Jahren im Boot an der Alten Donau habe ich einige Kategorien an unachtsamen Lenkerinnen und Lenkern beobachten können:
- Bemühte Menschen, die wegen der fehlenden Fahrordnung trotzdem immer im Weg sind. Wie wunderbar wäre es, wenn es Vorgaben gäbe, dass auch sie sich im Uhrzeigersinn und in der jeweiligen Ufernähe bewegen würden. Man kann ihnen leider keine Vorwürfe machen, aber es ist absolut unverständlich, warum es überall —von Straßen über Radwegen bis hin zur Befahrung der Donau und dem Flugverkehr —Regeln gibt, nur auf der Alten Donau nicht.
- Bemühte Menschen, die leider ihr Boot nicht unter Kontrolle haben. Boote reagieren nicht so flott wie Autos und das Heck bricht bei hektischen Lenkmanövern aus. Man sollte also nicht erst fünf Meter vor dem Zusammenstoß mit einem sündteuren Ruderboot zum Steuern beginnen. Das kann sich einfach nicht ausgehen.
- Menschen, die es lustig finden, eine Kollision mit einem Ruderboot zu verursachen. Man würde gar nicht glauben, wie viele dieser rücksichtslosen Menschen es gibt, die auch noch ausgelassen lachen, wenn ihnen ihr tückischer Plan gelungen ist. Erst vor zwei Jahren wurden wir im Doppelzweier zu Ostern von einer Gruppe aufgekratzter Jugendlicher absichtlich zum Kentern gebracht. Anders als bei einem Videospiel haben solche Aktionen oft kostspielige Folgen. Zum Glück konnten wir in diesem Fall durch abruptes Stoppen das Schlimmste vermeiden. Die Attentäter machten sich rasch aus dem Staub, nachdem wir ihnen fröstelnd und mit einigen Litern Wasser in den Atemwegen mit einer Anzeige wegen mutwilliger Körperverletzung und Sachbeschädigung gedroht hatten. Hoffentlich haben sie wenigstens etwas für ihre nächste Ausfahrt gelernt.
- Durch Suchtmittel beeinträchtigte Menschen, die oft ausgelassen feiern und ihre Mitmenschen mit waghalsigen Manövern beeindrucken wollen. Dass die Alte Donau mehr und mehr als Outdoor-Party-Zone missbraucht wird, ist spätestens seit Beginn der Corona-Krise nur allzu deutlich. In der Früh werde ich an unserem Steg oft von schwimmenden, im Wasser nicht ordnungsgemäß entsorgten Bierdosen oder anderen Alkoholflaschen begrüßt. Meist wird der Alkohol, der sich wenige Stunden zuvor noch in den hinterlassenen Gebinden befunden hatte, auch am Steuer der Freizeitboote genossen. Wieviel Kontrolle diese betrunkenen oder mit Gras eingerauchten Menschen über ihr Gefährt haben, brauche ich hoffentlich nicht weiter erläutern. Jedenfalls bin ich auch in diesem Fall der Meinung, dass man genauso wie am Steuer anderer Fortbewegungsmittel nicht alkoholisiert sein sollte.
- Kinder am Steuer. Würden Sie ihr Kleinkind alleine ans Steuer Ihres Autos lassen und dann seelenruhig die Gegend auf sich wirken lassen? Nein? Leider glauben viele Eltern, dass es bei Booten eine gute Idee ist. Auch hier kann erheblicher Personen- und/ oder Sachschaden entstehen. Nicht nur Ruderboote sind in Gefahr, sondern auch Schwimmerinnen und Schwimmer. Wenn Kinder schon das Boot lenken, wäre es wenigstens löblich, wenn die Eltern ein Auge auf diese werfen würden, anstatt auf das Mobiltelefon oder die Begleitperson.
- Abgelenkte Menschen. Bekanntlich sinkt die Aufmerksamkeitsspanne der Menschen immer mehr. Die Ablenkung durch das Mobiltelefon ist im Alltag omnipräsent. Im Boot manifestiert sich dies vor allem durch Selfies-schießen beim Unkontrolliert-durch-die-Gegend-fahren und den Elterlichen-Betreuungspflichten-nicht-nachkommen, weil gerade dringend gebrowst werden muss. Der neueste Heute-Artikel kann einfach nicht bis nach der Bootsfahrt warten. Auch das Videotelefonieren im Boot und das Schmusen während dem Fahren kann immer öfter beobachtet werden. Wenn ich mich nicht ganz täusche, würde all dies im Auto den Führerscheinentzug oder zumindest eine saftige Geldstrafe nach sich ziehen.
Fallen Ihnen noch weitere Kategorien ein, um meine Liste zu vervollständigen?
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