Ich bin das, was Alain Botton, der Autor von A Week at the Airport, einen nomadischen Geist (nomadic spirit) nennen würde, der es nicht erträgt, sich längere Zeit in einem Land aufzuhalten, vor Tradition zurückscheut, dem sesshaften Leben misstrauisch gegenübersteht und sich daher nirgends wohler fühlt als in den Zwischenzonen der Welt, den Landschaften von Kerosin-Lagertanks, Gewerbegebieten und Flughafenhotels. Kurz gesagt, die Flughäfen der Welt und die Kabinen diverser Flugzeugtypen waren zumindest vor der Corona-Krise meine zweite Heimat.
Obwohl ich Angst vor Turbulenzen, Nachtflügen und dem Durch-dicke-Wolken-fliegen habe, liebe ich die Atmosphäre auf Flughäfen, die vermittelt, dass alles möglich ist. Wenn Geld kein Thema ist, kann man in etwas mehr als einem Tag überall auf der Welt sein. Man kann in Europa einschlafen und in Nordamerika aufwachen. Man kann im Sommer in ein Flugzeug einsteigen und im Winter aussteigen. Und wenn man genau hinhört, erzählt einem das majestätische viermotorige Flugzeug, das gerade von Hong Kong nach Vancouver geflogen ist, vielleicht eine faszinierende Geschichte über seine ereignisreiche Reise über den Pazifik.
Fast 30 Jahre und mehr als 100 Flüge später, erinnere ich mich noch lebhaft an meinen ersten Flug. Es war ein extrem turbulenter Finnair-Charterflug von Wien nach Kalamata in Griechenland. Weil meine Großmutter mir gesagt hatte, dass es gefährlich sei, ohne Sonnenbrille zu fliegen, weigerte ich mich, ins Flugzeug zu steigen. Ein paar Schritte vom weißen und hellblauen Flugzeug entfernt hatte meine Mutter mich noch immer nicht davon überzeugt, dass es noch nicht notwendig war, sie aufzusetzen, sondern erst in der Luft. Nachdem etwa 100 ungeduldige Leute hinter uns aufs Einsteigen warteten, gab sie schließlich meiner Bitte nach und nahm meine kleine rosa Sonnenbrille aus ihrer Tasche.
Für meine Eltern muss es ein ziemlich anstrengender Flug gewesen sein, denn ich wollte alle zehn Minuten wissen, ob wir schon da waren. Ich war auch sehr neugierig auf alles, was während des zweistündigen Fluges passierte, beispielsweise warum das Flugzeug sich in die Kurve legte, was das Anschnallzeichen bedeutete und warum der Flug so turbulent war. In Bezug auf Letzteres hat mein Vater wirklich versucht, die bestmögliche Erklärung zu finden, und ich muss zugeben, dass ich immer noch darüber lachen muss. Er sagte, dass der Pilot ein junger blonder Finne war, der nicht viel Flugerfahrung hatte, und aus irgendeinem Grund, vielleicht kindliche Naivität, hat es mich nicht einmal beunruhigt. Später stellte sich heraus, dass der Pilot wirklich so aussah, wie mein Vater ihn beschrieben hatte, aber es war wahrscheinlich nicht so abwegig zu erraten, dass der finnische Pilot blond war.
Mit 12 Jahren überquerte ich zum ersten Mal den Atlantik. Beide Flüge waren aufregender als jene davor, nicht nur, weil wir mit Air France geflogen sind. Nachdem damals noch nicht jeder Sitz einen eigenen Bildschirm hatte, gab es auf dem achtstündigen Flug von Paris nach New York nicht viel zu tun. Während mein Vater stumme Mr. Bean-Episoden auf einem der vier alten Overhead-Fernseher in der großen Kabine des Jumbos sah, machte ich ein Nickerchen. Ich erinnere mich nicht, dass der Flug besonders turbulent war, aber andererseits war ich nur zu den Mahlzeiten wach.
Der Rückflug war viel abenteuerlicher, weil das Flugzeug kaputt war, was, glaube ich, keine große Überraschung war, da wir mit Air France geflogen sind. Nachdem sie uns länger als zwei Stunden am Gate warten lassen hatten, gaben sie schließlich zu, dass die Motoren des Jumbos ausgefallen waren und wir die Nacht im Hotel Ramada in der Nähe des Flughafens JFK verbringen mussten. Während ich sehr aufgeregt war, Venus Williams an diesem Abend bei den US Open spielen zu sehen, war mein Vater nicht besonders glücklich, weil er den Schlüssel für seinen Koffer zu Hause vergessen hatte und eine Stunde damit verbrachte, die zwei Kofferschlösser mit einer kleinen Feile (ja, sie war damals noch in Flugzeugen erlaubt) zu öffnen. Zum Glück stand mein Vater am nächsten Tag früh genug auf, um uns auf dem Direktflug nach Paris einen Platz zu sichern. Einige unglückliche Passagiere mussten über Hong Kong nach Paris fliegen, da sie sonst erst mach einigen Tagen einen Rückflug bekommen hätten.
Während ich nur ungefähr zweimal im Jahr geflogen bin, als ich kleiner war und es mir ziemlich egal war, wie ich zu den schönen Stränden des griechischen Peloponnes oder dem atemberaubenden Regenwald der kleinen kanarischen Insel Gomera kam, wurde ich eine leidenschaftliche Flugreisende, als ich im Alter von 16 Jahren nach Irland zog. Ich flog beispielsweise in diesem Jahr in einem kleinen Aer Arann-Propellerflugzeug von Galway nach Dublin durch ein starkes Gewitter und musste mich am Frankfurter Flughafen sowie in einem Lufthansa-Flugzeug von Frankfurt nach Wien übergeben.Ich fand auch heraus, dass es ziemlich schwierig war, einer deutschen Stewardess mitzuteilen, dass ich dringend ein Speibsackerl brauchte (in Deutschland heißt es ja Kotztüte, wie ich mittlerweile weiß), musste fast 1000 Euro für Übergepäck bezahlen und begann mich dafür zu interessieren, welches Flugzeug mich nach Österreich oder zu meinem zweiten Zuhause in Irland brachte.
Während meiner Studien in Österreich, der Schweiz, Großbritannien und Kanada wurde meine Faszination mit dem Fliegen noch größer. Besonders nach meinem Umzug an die Westküste Kanadas reiste ich oft nach Österreich oder zu Konferenzen in Nordamerika und Europa und begann immer mehr Erdteile zu erkunden. Erst mit fortgeschrittenem Alter und einigen stressigen Jahren Vollzeitjob am Buckel, wurde mir klar, dass es manchmal schöner ist, sich auf der Couch zu entspannen und einen James-Bond-Film anzusehen, als von Terminal eins zu Terminal drei in Heathrow zu eilen, um einen 10-stündigen Anschlussflug zu erwischen. Aber ich liebe die Flughafenstimmung noch immer, die endlosen Möglichkeiten, die der Flugverkehr der Welt eröffnet hat, sowie das Schreiben über meine zahlreichen Reiseerlebnisse.
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