Ich bin ein wirklich gütiger vierbeiniger Hausherr. Seit nunmehr acht Jahren lasse ich die Eltern in meiner Wohnung wohnen, obwohl meine Versorgung mit Leckerlis nicht immer zufriedenstellend ist. Bei Mama stoße ich überhaupt oft auf taube Ohren, aber Papa hat mir versichert, dass sie nicht mehr so gut hört, also muss ich mit ihr wohl etwas nachsichtiger sein. Papa ist generell engagierter, nur in der Nacht liegt auch er leblos da und erhört mich nur nach äußerst anstrengenden, kräftezehrenden Hilferufen. Manchmal kann ich ihn nur mit jämmerlichem Miauen, Hintern-ins-Gesicht-halten, Am-Kopf-reiben und In-die-Augen-pratzeln dazu motivieren, sich in Richtung des Kühlschranks zu bewegen, wo meine heiß begehrten, vom Papa selbst getrockneten Rindfleischleckerlis aufbewahrt werden.
Seine Beschwerden, “Geh bitte, Hattori, es ist erst halb 6 Uhr. Muss das sein? Der Hanzō liegt ja auch ganz ruhig im Bett”, sind, finde ich, etwas überflüssig. Was kann ich dafür, dass mein Bruder so eine Schlaftablette ist. Oft gibt mir Papa dann auch nur normales Futter, obwohl ich dezidiert Leckerlis verlangt habe. Ob er mich absichtlich falsch versteht oder in der Früh einfach noch etwas neben der Spur steht? Nehmen wir einmal vorerst nicht das Schlimmste an. Vielleicht bessert sich die Situation ja auch irgendwann, denn angeblich stehen Menschen mit fortschreitendem Alter immer früher auf. Außerdem habe ich von Kollegen schon oft gehört, dass ich es mit meinen Mitbewohnern auch viel schlimmer hätte treffen können, denn angeblich sind selbst getrocknete Snacks nicht Standard. Unglaublich, oder?
Wenn ich besonders gutmütig bin, lasse ich mich sogar ausnahmsweise am Bauch kraulen, weil die Eltern das so gerne machen. Ich begebe mich dazu auf die pinguinförmigen Teppiche in der Küche, lege mich auf den Rücken und rolle mich wie Shrimps ein. Die Beine klappe ich möglichst kompakt zusammen und falte die Zehen ein, denn ich höre dann meistens schon die Eltern über mich sprechen. “Schau, ist er nicht süß”, meint Mama oft zu Papa. “Ja, stimmt, wenn er so da liegt, will er sicher gekrault werden”, antwortet dieser dann nach einem kurzen Blick in Richtung Küchenboden. “Musst halt hingehen,” ermutigt ihn Mama auch gleich, bevor er zu mir eilt, seine Augen zu leuchten beginnen und er anfängt meinen meist nicht wohl genährten, aber sehr flauschigen Bauch zu streicheln.
Lange halte ich das eh nicht durch, bevor mich der Leckerli-Hunger überfällt. Diese ganze Schauspielerei ist ja furchtbar anstrengend. Trotzdem bemühe ich mich, dem Papa zuliebe noch ein bisschen länger auszuhalten, damit sich das Kraulen wenigstens für uns beide auszahlt. Besonders freut sich Papa, wenn ich mich hin- und herrolle, mich ab und zu an seiner Hand reibe und einen zufriedenen Gesichtsausdruck aufsetze. Ein bisschen Strecken und Schnurren dazwischen schadet auch nicht. Er hat Mama schon oft gesagt, dass er findet, dass mein tiefes Schnurren beruhigend wirkt. Mein Argument, dass mich Leckerlis beruhigen, lässt er leider nicht immer gelten, was ich nicht ganz fair finde. Schließlich darf er ja ausnahmsweise bei mir wohnen und nicht umgekehrt, auch wenn er das aus irgendeinem unerfindlichen Grund annimmt. Egal, dem Sprichwort nach ist Irren ja menschlich und nicht katerlich.
Wenn ich nicht lange genug in der Kraulposition verharre, verwehrt mir Papa manchmal das heiß ersehnte Leckerli, was besonders ärgerlich ist, weil ich ja schon die ganze Prozedur über mich ergehen habe lassen. “Hattori, willst du mich parpierdeln?” fragt er mich dann ganz enttäuscht. Was er immer hat. Er könnte mir ja schließlich die Leckerlis auch einfach so geben, was für mich weit weniger mühsam wäre. Ich verstehe auch nicht, wieso er mich so gerne krault. Jedenfalls finde ich meine Strategie viel eleganter und weit weniger peinlich als die von meinem kleinen Bruder. Der hängt sich nämlich immer an Papas Hosenbein, setzt einen hilflosen Dackelblick auf und miaut wie eine Quietschente, auf die man unabsichtlich gestiegen ist. Davon hat Papa wirklich nichts, außer dass er laut lachen muss. Mama findet es süß, was ich gar nicht verstehen kann.
Jedenfalls habe ich, glaube ich, nach mehreren Monaten Übung die perfekte Strategie entwickelt. Das Kraulen darf keinesfalls zu kurz ausfallen, denn sonst ist Papa böse und fühlt sich anscheinend ausgenutzt. Optimal ist es, auch nicht jedes Mal gleich nach der Kraulprozedur zum Kühlschrank zu hasten. Kraftloses Schleichen nach angemessen langem Streicheln erweckt nicht nur mehr Mitleid, sondern man hat eben auch schon mehr Pluspunkte auf dem Konto. Schnurren führt in der Regel auch tendenziell zu einer höheren Erfolgsquote, vor allem im Vergleich zum Miauen, aber der Nachteil ist, dass es auch mehr Kraft kostet, die initial investiert werden muss. Ganz schlecht ist die Kombination aus zu kurzem Kraulen, zum Kühlschrank hasten und sich mehrmals jämmerlich beschweren. Das kann sich sogar negativ auf den Erfolg der darauffolgenden Bettelaktion auswirken. Warum muss denn auch das Zusammenleben mit den Zweibeinern so kompliziert und die Kühlschranktüre so schwer sein?
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